Jedes Jahr im Frühling wird Japan pink. Sehr pink. Auch die Einheimischen wechseln ihre Farbe in dieser Zeit sehr oft, manche zu rot (Frühlingsgefühle), die meisten aber zu blau. Es ist nicht schwer festzustellen, dass Japaner deutlich enthusiastischer auf ihre Jahreszeiten reagieren als Einheimische anderer Weltregionen. Besonders ist das aber bei den Kirschblüten zu beobachten, die sich ab Ende März von Süd nach Nord durch ganz Japan ziehen. Ein Land außer Rand und Band – was es über die japanische Kirschblüte Sakura so alles zu wissen gibt.
Einführung japanische Kirschblüte
Der Frühling in Japan ist eine sehr gesellige Zeit. Im April fängt für viele Menschen ein neuer Lebensabschnitt an: sei es mit der Aufnahme eines Studiums oder einer neuen Arbeitsstelle, beides beginnt meist im April. Das heißt, an Universitäten und in Firmen gibt es zahlreiche Neuzugänge und man muss sich natürlich kennen lernen. Passenderweise ist der April auch Hanami-Zeit und was eignet sich besser zum Kennenlernen, als unter Kirschblüten gemeinsam Speiß und Trank zu sich zu nehmen? Nichts.
Damit man nicht auf verlorenen Posten steht, hier die wichtigsten Hintergründe über diese berühmte Zeit in Japan, in der alles im Zeichen der Kirschblüte steht.
Begriffe
Sakura
Was heißt Kirschblüte überhaupt auf Japanisch? Genau, Sakura! Das war’s schon. Ok, noch ein wenig mehr: es gibt Sakura in zahlreichen Formen und Farben. Auf die Farben wird hier nicht mehr weiter eingegangen, daher sei dazu nur noch gesagt, dass die Blüten von Kirschbäumen weiß, pink und gelb sein können.
桜
sakura
Japanische Kirschblüte
Arten von Sakura
Somei-Yoshino
Der Großteil der Kirschbäume in Japan gehört der Art Somei-Yoshino 語染井吉野 an. Diese Baumart ist noch gar nicht so alt, wurde sie das erste Mal um 1900 in Tokyo kultiviert. Seitdem hat der Somei-Yoshino aber eine beeindruckende Erfolgsgeschichte hingelegt. Die Blüten zeichnen sich durch einen leichten Pinkstich und großen, 5-blättrigen Blüten aus.
Shidarezakura
Shidare 枝垂桜-Kirschbäume sind schon deutlich seltener, aber sehr beliebt. Sie zeichnen sich durch hängende Äste aus und die Blüten haben fünf oder mehr Blätter.
Omurozakura
Im Ninnaji-Tempel im nordwestlichen Kyoto stehen ganz besondere Kirschbäume, die omurozakura 語御室桜 genannten Kirschbäume genannt werden. Diese Omuro-Kirschbäume ähneln von ihrer Struktur her Büschen mit einer Größe von 3-4 Metern und besitzen gefüllte Blüten. Zudem blühen sie erst relativ spät in der Hanami-Saison.
Lese auf JAKYO:
Ninnaji-Tempel in Kyoto
Weitläufige und wunderschöne Tempelanlage im Nordwesten von Kyoto.
Hanami
Die Versammlung von Müßiggängern um einen Kirschbaum herum nennt man im japanischen hanami 花見, das mit den Kanji für Blume/Blüte und Sehen geschrieben wird – eine Blütenschau also. Im April zur Blütezeit gibt es in japanischen Städten kaum einen blühenden Kirschbaum, der nicht von Picknickgruppen umlagert wird. Hierbei lässt sich aber etwas erstaunliches beobachten: das seltene Totalversagen des japanischen Ästhetikgefühls. So haben sich in Japan tatsächlich riesige blaue Plastikplanen als Sitzflächen durchgesetzt.
Da Hanami aber so beliebt ist, kommt ein weiteres Phänomen dazu: das Reservieren von Sitzflächen. In der Kirschblütenzeit sieht man großflächige Plastikplanen, die morgens oder mittags zunächst von nur einer Person benutzt wird – selten zwei oder mehr. Er oder sie ist der Platzhalter und reserviert den Platz für die eigentliche Gruppe, die erst nach Feierabend dazu kommt. Diese mehr oder weniger freiwillige Person ist meist ganz unten in der Hierarchie der jeweiligen Gruppe, z.B. Erst- oder Zweitjahresstudenten an der Universität oder junge und neue Kollegen in Firmen. An beliebten Hanami-Plätzen werden die Flächen teils schon während der Nacht zuvor reserviert.
Besonders Studenten von Clubs und Zirkeln sind beim Hanami aktiv, denn im April beginnt auch das neue Studienjahr an der Universität und somit die Rekrutierung von Neumitgliedern für Clubs und Zirkels. Die Hanami werden dann vor allem dafür organisiert, um die neuen Mitglieder kennenzulernen.
Sakura-Vorhersage: Sakurazensen
Um seinen Blütenrausch oder Hanami für die japanischen Kirschblüten im Voraus planen zu können, muss man natürlich wissen wo und wann. Dafür gibt es die ab Anfang März allgegenwärtigen sakurazensen 桜前線 oder sakura kaikazensen 桜開花前線. Direkt übersetzt wäre das die “Frontlinie der Kirschblüten”. Kirschblüten mögen in Japan zwar Herzen erobern, aber gemeint ist damit lediglich, wann die Kirschblüten wo anfangen zu blühen, von Süden nach Norden gehend. Es gibt noch viel detailliertere Berichte, z.B. wo die Kirschblüten zu wieviel Prozent bereits blühen.
Die sakurazensen ist aber nur ein Teil der Sakura-Vorhersage, dessen japanische Entsprechung sakura yohō 桜予報 ist.
Blütensturm: Sakurafubuki
Unter Sakurafubuki (oder Hanafubuki für Blumen allgemein) versteht man die Zeit, wenn die Kirschblütenblätter anfangen herabzufallen. Da dies meist nicht langsam Blatt für Blatt passiert sondern je nach Windstoß ganz ordentlich jede Menge Blätter auf einmal, hat man öfters das Gefühl in einem “Schneesturm” aus weißen Blüttenblättern zu stehen. Auf japanisch wäre Schneesturm fubuki 吹雪.
Empfehlung: zur richtigen Zeit von Demachiyanagi aus nach Süden entlang der Straße spazieren. Nicht am Fluss unten, sondern direkt an der Straße. Wenn man Glück hat, wandert man durch ein mehrere Centimeter hohes Blütenmeer.
Vergänglichkeit: Mono no Aware
Eng mit den Kirschblüten verbunden ist das Ästhetikgefühl mono no aware 物の哀れ (Wikipedia). Dieses Gefühl beschreibt die traurige Vergänglichkeit von Dingen, womit man sich letztendlich aber doch abfindet. Nur wenige Dinge führen so einem anschaulich das mono no aware vor Augen wie die prächtigen, aber nur kurz blühenden Kirschblüten. Besonders stark wird das Gefühl, wenn sich Regen ankündigt. Denn meist bedeutet Regen in dieser Zeit das Ende der Kirschblüten, der die Blütenblätter von den Bäume reißt.
Hanami in Kyoto
Wann blüht die Kirschblüte in Kyoto?
Für gewöhnlich fangen die Knospen der Kirschblüte in Kyoto in der letzten Märzwoche an aufzugehen, die volle Blüten folgt Anfang April. Danach hat man dann noch etwa eine Woche, bevor die Blütenblätter komplett abgefallen sind. In dieser letzten Kirschblütenwoche treten dann auch verstärkt die oben genannten Sakurafubuki auf, wenn die Blütenblätter in Massen abfallen. Und fällt in dieser Zeit starker Regen, beendet das den pinken Blütentraum vorzeitig.
Möchte man die Kirschblüte auf keinen Fall verpassen, sollte man unbedingt die Vorhersagen zeitnah im Auge behalten. Verschiebungen um die fünf Tage sind keine Seltenheit, in Extremfällen auch bis zu zehn Tage.
Jetzt stellt sich die Frage, wo man in Kyoto am besten die japanischen Kirschblüten als Hanami bewundern kann. Ein paar Empfehlungen:
Kamogawa
Am Fluss Kamogawa, der sich durch ganz Kyoto von Nord nach Süd zieht, finden sich jede Menge Kirschbäume. Der große Vorteil hier ist das riesige Platzangebot, sodass jeder einen Platz findet, um sich unter die Kirschblüten zu setzen.
Hüten sollte man sich bzw. sein Essen am Kamogawa aber vor allem vor den Schwarzmilanen (jap. Tobi), die hier ihre Runden drehen und es auf die mitgebrachten Snacks abgesehen haben. Diese geschickten Jäger schaffen es immer wieder, unbemerkt im Sturzflug den einen oder anderen Leckerbissen zu erbeuten. Fürchten muss man sich allerdings nicht, in der Regel passiert dabei nichts.
Lese auf JAKYO:
Der Kamogawa-Fluss, das Herz von Kyoto
Konkaikomyoji
Der Konkaikomyoji-Tempel im Osten von Kyoto kann als kleiner Geheimtipp gehandelt werden, was Hanami betrifft. Der Tempel taucht für gewöhnlich nicht in den gängigen Reiseführern auf und entsprechend ruhig geht es zu. Das liegt wohl nicht zuletzt daran, dass es sich um einen öffentlich zugänglichen buddhistischen Friedhof handelt, daher sollte man sich auch entsprechend verhalten. Die Kirschblüten hier sind aber eine wahre Pracht. Wer in Ruhe die Kirschblüten genießen möchte, der sollte zum Konkaikomyoji gehen.
Maruyama-Park
Den größten Rummel findet man vermutlich am Maruyama-Park hinter dem Yasaka-Schrein vor. Hier herrscht fast schon Volksfestatmosphäre. Wer hier einen Platz beanspruchen möchte, muss das bereits sehr früh machen. Der Park ist vor allem bei Studentengruppen beliebt, es kann also auch zu unschöneren Anblicken kommen. Freunden des ruhigeren Genusses sei der Aufbau eines Open-Air-Restaurants direkt zwischen Park und Schrein empfohlen – allerdings verbunden mit einer Platzgebühr.
Fun Fact: Wie oben beschrieben werden viele Plätze schon in der Nacht zuvor reserviert, was gerade so noch toleriert wurde. Im Maruyama-Park ist diese (Un-?)Sitte aber regelrecht ausgeartet. Teilweise wurden Plätze schon drei Tage im voraus reserviert und gegen Geld Platzsuchenden angeboten. Da die blauen Plastikplanen oft auch als Müll zurückgelassen wurden, ist die Verwendung von selbst mitgebrachten Unterlagen seit 2014 untersagt – der Park gibt Leihunterlagen aus. Ebenso untersagt ist seitdem die Reservierung von Plätzen. Dafür wurden extra die drei großen Universitäten von Kyoto angeschrieben (Doshisha-, Ritsumeikan- und Kyoto-Universität), da es vor allem deren Clubs und Zirkel sind, die Plätze im Voraus reservieren.
Der Philosophenweg
Der Philosophenweg in Kyoto – auf jap. tetsugaku no michi – bezeichnet einen Steinweg im Osten von Kyoto, der an einem kleinen Kanal entlang läuft. Umgeben ist der Weg zudem von zahlreichen Kirschbäumen. Im Norden beginnt der Weg beim Tempel Ginkakuji und im Süden hört er beim Tempelkomplex Nanzenji auf. Entlang des Weges befinden sich aber noch weitere Tempel, die teilweise auch nur zur Kirschblütenzeit geöffnet haben.
Seine Bekanntheit und seinen Namen hat der Pfad dem Philosophen Nishida Kitaro zu verdanken. Der Professor der Universität Kyoto spazierte den Weg oft entlang zur Meditation.
Im Herbst geht es dann weiter mit dem momijigari!
Houses and Gardens of Kyoto presents over 500 photos of the most excellent examples of traditional Japanese architecture from every significant historical period in this new edition of a favorite classic.
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Jakyo-Infos
Übersicht
Gebrauchsname: sakura・hanami 語桜・花見
Vom letzten Drittel im März (Süden/Kyushu) bis erstes Drittel im Mai (Norden/Hokkaido)
Kyoto: Ende März bis Anfang April