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Wer denkt, Kyoto kommt nach dem Gion-Fest im Juli zu Ruhe, der täuscht. Es wird zwar deutlich gemächlicher, aber zumindest an einem Abend visuell nicht minder spektakulär. Die Rede ist vom Obon-Fest mit den anschließenden Leuchtfeuern, die gemeinhin als Daimonji bekannt sind. Während das Obon-Fest ein landesweiter Brauch zur Verabschiedung der verstorbenen Ahnen ist, zählt das Daimonji zu den vier großen Festen Kyotos.
Obon
o-bon 語お盆
Das Obon-Fest wird landesweit in Japan gefeiert, um das Andenken an die verstorbenen Vorfahren zu ehren und um ihnen mit den abschließenden Lichterfesten den Weg ins Jenseits zu zeigen und sich zu verabschieden. Bis zum 19. Jahrhundert wurde Obon im Zeitraum um den 15. Juli gefeiert — da dieses Datum aber mit der Erntesaison zusammenfällt, wird Obon heute fast überall einen Monat später am 15. August gefeiert. Das Obon-Fest im August wird formal tsukiokure bon 語月遅れ盆 genannt. Eine passende Wahl, heißt tsukiokure direkt übersetzt schlicht “einen Monat (ver-)spätet”.
Exkurs: Erntesaison und Feste in Japan
Es ist auffällig, dass viele große Feste in Japan im Zeitraum vom Ende Juli bis Mitte August stattfinden. Dazu gehören u.a. das Gion-Matsuri, Awa-Odori, Nebuta-Matsuri und Obon. Aber warum ausgerechnet in den heißesten zwei Monaten? Schlicht und einfach, weil die Menschen dann endlich Zeit hatten! Im Juli wurde die Ernte eingefahren, danach konnte man sich schöneren Dingen widmen. Heutzutage ist das etwas anders, aber es hat diese Traditionen etabliert.
Obon-Bräuche
Obon ist im Großen und Ganzen eine familiäre Angelegenheit und auch nicht auf einen Tag beschränkt, sondern streckt sich über einen gewissen Zeitraum. Daher ist es treffender, Obon als eine Sammlung von Bräuchen zu beschreiben.
Ohakamairi
Obon ist vor allem die Zeit, an dem sich die Familie versammelt und das Grab der Vorahnen besucht. Das Grab wird dabei auch gründlich gereinigt und hergerichtet. Dieser Grabbesuch wird o-haka mairi 語お墓参り genannt.
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Der augenfälligste Obon-Brauch in Japan sind aber definitiv die gemeinhin als Daimonji bekannten Leuchtfeuer in Kyoto am 16. August!
Daimonji / Gozan-no-Okuribi
daimonji 語大文字
gozan no okuribi 語五山送り火
Wenn sich eine Sache in Kyoto im August nicht übersehen lässt, dann sind es die Daimonji-Leuchtfeuer. Das Daimonji wird zusammen mit dem Aoi-, Gion- und Jidai-Fest zu den vier großen Festen Kyotos gezählt. Daimonji ist aber nur der umgangssprachliche Name und kommt von der berühmtesten Leuchtfeuer-Form, dem Kanji für groß: dai 大 — und davon gibt es gleich zwei.
Offiziell heißt das Daimonji allerdings Gozan-no-Okuribi. Das Gozan steht für fünf verschiedene Hügel, auf denen insgesamt sechs Leuchtfeuer entzündet werden. In Okuribi steckt ihre Bedeutung: Leuchtfeuer zur Verabschiedung der Verstorbenen.
Bis 1962 gab es bzgl. des Zeitpunkts keine Absprachen — erst ab 1963 wurden auf Bitten der Tourismusbranche das Entzünden der Leuchtfeuer koordiniert: Beginnend mit dem östlichen Daimonji um Punkt 20 Uhr werden die restlichen Leuchtfeuer entgegen des Uhrzeigersinns im Fünfminutentakt entfacht. Die Leuchtfeuer hō und myō werden zeitgleich entzündet. Zuletzt wird das Schreintor-Leuchtfeuer in Westkyoto um 20:20 Uhr entzündet.
Die sechs Leuchtfeuer bestehen aus vier Kanji (zwei davon dai) und zwei Formen:
Alle Leuchtfeuer bei einer Gelegenheit zu sehen bedarf guter Planung. Generell sieht man alle Leuchtfeuer nur von den Dächern der Hochhäuser aus und auch dann muss man etwas Glück haben, dass nichts den Blick versperrt. Wer auf Bodenlevel unterwegs ist, bekommt für gewöhnlich nur ein oder zwei, eventuell sogar mehr Leuchtfeuer zu Gesicht. Der perfekte Spot auf Bodenlevel in Kyoto ist Jakyo leider noch unbekannt und auf größeren Plätzen wie zum Beispiel Demachiyanagi herrscht für gewöhnlich sehr viel Andrang.
Karte aller Gozan-Leuchtfeuer
Daimonji fotografieren?
Jakyo kennt den Drang sehr gut: man möchte alles dokumentieren und fotografieren. Die Leuchtfeuer sind aber ohne gute Ausrüstung ein Garant für verwackelte Schnappschüsse. Wer sich daher mit Freunden in Kyoto trifft um die Leuchtfeuer aus der Ferne zu betrachten, sollte sich nicht zu sehr auf das Fotografieren konzentrieren und es wie Jeffrey Friedl halten: “Daimonji: das unfotogenste Fest Kyotos“. Das Fotografieren einfach bleiben lassen und lieber das gesellige Beisammensein genießen.
Die Sache kann sich aber komplett wenden, wenn man die Möglichkeit hat, direkt vor Ort bei den Leuchtfeuern zu sein. Dann wird daraus direkt ein Jahreshighlight, welches lange prominent im Gedächtnis bleiben wird.
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