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Japan hat seine ganz eigenen Bräuche zum Jahreswechsel, für die es sich lohnt, speziell zum Neujahr die Insel im fernen Osten zu besuchen. Schreinbesuche, Glockenschläge, spezielle Mahlzeiten und die irgendwie auch dazugehörenden Spannungen zwischen den einheimischen japanischen Bräuchen und den importierten Bräuchen aus dem Westen.
Weihnachten in Japan
Wenig überraschend ist die fernöstliche Insel kein christlich geprägtes Land und entsprechend hat Weihnachten in Japan auch keine Tradition. Aber es gibt Geschäfte und Kunden in Japan und das reicht schon, um einen Hauch weihnachtliche Stimmung zu verbreiten. Heiligabend am 24. Dezember ist auch kein gesetzlicher Feiertag in Japan. Heiligabend mit der gesamten Familie zu verbringen ist auch eher nur dann der Fall, wenn es Kinder gibt. Ansonsten ist Neujahr der Termin, an dem die gesamte Familie zusammenkommt.
Aber Japan wäre nicht Japan, wenn es nicht einen kuriosen Unterschied geben würde. Die für ihre frittierten Hühnchenschenkel bekannte amerikanische Fastfoodkette Kentucky Fried Chicken hat es nämlich geschafft, ihr Hühnchenangebot als traditionelles Weihnachtsessen in Japan zu etablieren. Was für ein Marketingcoup, der viele Vermarkter vor Neid erblassen lässt! Das führt sogar dazu, dass man sein Weihnachtsessen von KFC zwei Monate im Voraus reservieren muss, um nicht leer auszugehen. Frohe Weihnachten!
Neujahr in Japan
Neujahr und… Neujahr in Japan?
In Deutschland ist Neujahr in der Nacht vom 31. Dezember auf den 01. Januar selbstverständlich, schließlich haben wir schon seit den Zeiten Julius Cäsars einen auf der Sonne basierenden Solarkalender. Dieser wurde zuletzt im 16. Jahrhundert reformiert, weshalb wir heutzutage vom Gregorianischen Kalender sprechen. Ein weiteres Model, um das Datum zu erfassen ist der auf dem Mond basierende Lunarkalender, der sich vor allem in Asien etabliert hat und dessen Neujahr Anfang Februar stattfindet.
Der Gregorianische Kalender wurde im Rahmen der Meiji-Restauration 1873 in Japan eingeführt und damit auch das Neujahr zum 01. Januar. Vor 1873 war aber der Lunarkalender ausschlaggebend und hat sich bis heute in zahlreichen Feierlichkeiten in Schreinen und Tempeln erhalten, allen voran unter dem Namen Setsubun.
Hier im Artikel geht es um das Neujahr aus dem Solarkalender.
Begriffe zum Neujahr
Im Deutschen meint Silvester oder Neujahr immer die Nacht vom 31. Dezember auf den 01 Januar – Japan verpackt diesen Übergang aber in mehrere Begriffe. Der letzte Tag im Jahr, also der 31. Dezember, wird in Japan Toshikoshi genannt, sinngemäß “der Übergang ins nächste Jahr”. An diesem Tag werden gerne auch die gleichnamigen Toshikoshi-Soba-Nudeln gegessen. Die in Japan bedeutendere Phase ist aber der Oshogatsu genannte Zeitraum vom 01. bis zum 04. Januar, in der Schreine und Tempel besucht werden und das Osechi-Mahl zu sich genommen wird. Der erste Tag im neuen Jahr — der 01. Januar — wird in Japan Ganjitsu genannt.
年越し
toshikoshi
Der letzte Tag im Jahr
お正月
oshōgatsu
Das Neujahr in Japan
元日
ganjitsu
Der erste Tag im neuen Jahr
Unterschiede Japan und Europa
Im westlichen Kulturkreis wird Silvester vor allem mit Feuerwerk, Böllern und Glockenläuten begangen. Der Schwerpunkt liegt dabei heutzutage auf das Willkommenheißen auf das neue Jahr. Neben großen, von Städten ausgerichteten Feuerwerken gibt es auch massiv private Feuerwerke und hier liegt auch der große Unterschied zu Japan: auf der Insel wird das Neujahrsfeuerwerk hauptsächlich von staatlicher Seite aus organisiert und veranstaltet. Das private Zünden von Raketen und Böllern kommt nur sehr zaghaft in Mode, wobei es in größeren Städten schon verbreitet ist.
Für den traditionelleren Grund, zum Neujahr Feuerwerk zu zünden, nämlich das Vertreiben böser Geister, hatte Japan schon seit Anbeginn andere Bräuche. Zum Beispiel das Obon-Fest im Sommer, um den Geistern von Verstorbenen den Weg ins Jenseits zu leuchten, damit diese nicht zu bösen Geistern werden.
Außerdem verträgt sich die Geräuschkulisse von Raketen und Böllern nicht gut mit einem weiteren japanischen Brauch, den 108 Glockenschlägen in Tempeln. Mehr dazu weiter unten unter Joya no Kane.
Das Trinken von Alkohol vor allem in Schreinen und die Geräuschkulisse von privaten Böllereien stoßen vor allem in älteren und konservativen Kreisen auf wenig Begeisterung.
Hatsumode – Schreinbesuche für das neue Jahr
初詣 hatsumōde
Um für ein gutes Jahr und Glück zu beten, werden um Neujahr herum (vom 31. Dezember bis zum 03. Januar) die überall präsenten Schreine – seltener auch Tempel – ganz eifrig besucht. Die Schreingänge in dieser Zeit nennt man Hatsumode, die ersten Schrein- oder Tempelbesuche. Absichtlich im Plural, denn so gut wie immer werden mehrere Schreine besucht. Besonders die großen und berühmten Schreine werden dabei von Menschenmassen aufgesucht, die man kaum glauben mag. In Kyoto ist das besonders der Yasaka-Jinja-Schrein, wo man gut und gerne drei Stunden in einer Schlange steht, um ein Gebet am sonst schlangenlosen Heiligtum zu sprechen. Glücklicherweise gibt es zu dieser Zeit aber meist entlang der Schlange Imbissstände, an denen man sich mit japanischen Köstlichkeiten versorgen kann.
Mit dem Hatsumode gibt es je nach Schrein noch viele weitere, kleinere Bräuche. So stehen im Yasaka-Jinja-Schrein zum Beispiel heilige Feuer. An denen kann man Lunten entzünden, mit denen man dann zuhause den Herd anzündet. Kocht man mit diesem Feuer dann eine Mahlzeit, soll das Gesundheit für das neue Jahr bringen. Dieser Brauch ist aber an die Einwohner aus der Nachbarschaft gerichtet, denn mit diesen Lunten darf man nicht in Bus oder Bahn in Kyoto oder sonstwo einsteigen ;-)
Im Rahmen der Schrein- und Tempelbesuche holen sich viele Besucher auch gleich ihren brandneuen, goshuin genannten roten Stempel des jeweiligen Schreins oder Tempels ab. Gerade am 01. Januar ist das beliebt, denn für das Datum des Stempels macht die bereits oben erwähnte Sondervokabel ganjitsu deutlich mehr her als lediglich der erste Tag irgendeines anderen Monats, der tsuitachi 語一日.
Ema: Wünsche an die Gottheiten
Die sonst über das gesamte Jahr über üblichen Bräuche werden an Neujahr noch eifriger als sonst ausgeübt. Wie zum Beispiel das Schreiben von Wünschen und Gebete auf die kleinen Holztäfelchen Ema, die dann hoffentlich von der eingeschreinten Gottheit gehört werden. Zu Neujahr sind die Ema dann oft mit dem Tierkreiszeichen des neuen Jahrs verziert.
Apropos Ema: viele Schreine in Kyoto stellen über Neujahr ein riesiges Ema mit dem kommenden Tierkreiszeichen auf ihren Bühnen aus.
Und Japan wäre nicht Japan, wenn es nicht auch sonst allerhand spirituelles Merchandising für ein erfolgreiches neues Jahr zu kaufen gäbe.
Joya no Kane – 108 Glockenschläge in Tempeln
除夜の鐘 jōya no kane
Ein Brauch, den man sich nicht entgehen lassen sollte zum Neujahr in Japan ist das Läuten der Glocken in Tempeln, auf japanisch Joya no Kane. In zahlreichen Tempeln wird am 31. Dezember gegen 23 Uhr damit angefangen, die Tempelglocke insgesamt 108 Mal zu schlagen. Man sagt, dass das Läuten der Glocke 108 Mal von irdischen Begierden wie Wut, Gier und Besessenheit befreien soll. Ob das wirklich hilft sei jedem selbst überlassen, aber das Joya no Kane ist besonders bei großen Glocken ein Spektakel.
Es gibt zwei Tempelglocken im Raum Kyoto, die so groß sind, dass insgesamt 17 Mönche notwendig sind, um den Holzstamm zum Schlagen der Glocke in Bewegung zu setzen. In Kyoto selbst ist das die Glocke im Tempel Chionin und die zweite große Glocke befindet sich in Nara im Tempel Todaiji.
Fun Fact: wie oben bereits angedeutet, verträgt sich das Joya no Kane nicht sonderlich gut mit Feuerwerkskrach. So gibt es in der Teeschule Urasenke, in der sich oft Mitglieder am Silvesterabend zu Teezusammenkünften treffen, häufig Beschwerden über Böller und sonstige Störgeräusche. Denn diese übertönen den angenehmen Klang der Glocken aus der Ferne, während man seinen Tee trinkt. Barbarisch, dieser Feuerwerksbrauch!
Budo – Kendotraining zum Neujahr
Was Kendo betrifft, ist der Neujahrswechsel in Japan eine der trainingsintensivsten Zeiten überhaupt. Da gibt es u.a. das ①Kangeiko, das berüchtigte Wintertraining zur Abhärtung. Die zahlreich stattfindenden Trainingseinheiten am 31. Dezember werden ②Toshikoshigeiko genannt. Am 01. Januar gibt es dann auch keine Pause, sondern ③Gantangeiko! Mehr Infos dazu auf Kenshi247.net. Bonus (Osaka Kangeiko 2019).
①寒稽古 ②年越稽古 ③元旦稽古
In Kyoto am Heian-Jingu-Schrein gibt es auch eine spezielle Trainingseinheit namens heian jingu hōnō rensei taikai*, um seine Hingabe und Bereitschaft vor den Gottheiten zu zeigen. Eine Art Open-Air-Training im großen Stil.
*平安神宮奉納錬成大会
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Gebrauchsname: oshōgatsu 語お正月