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Der Kokedera ist ein nicht ganz so kleiner, aber dennoch sehr verwunschener Ort im äußeren Westen von Kyoto. Wer in Moos auch nur ein klein wenig mehr sieht als zu entfernendes Unkraut, der wird sich hier wie in einer kleinen Oase vorkommen. So weit, so uneingeschränkt empfehlenswert. Wenn da allerdings nicht zwei große Hindernisse wären, die der Empfehlung für den Saihoji (offizieller Tempelname) ordentlich in die Parade fahren können, je nach Schmerzgrenze des Besuchers.
Kokedera-Tempel / Saihoji
Allgemein
Der Kokedera wurde 1994 in das UNESCO-Weltkulturerbe “Historic Monuments of Ancient Kyoto” aufgenommen und ist für seinen Moosgarten mit geschätzten 120 verschiedenen Moosarten bekannt. Die Ursprünge des Tempels reichen bis zurück in die Nara-Zeit (710-794). Die Umstände aus dieser Zeit sind aber nicht einwandfrei belegbar, aber man geht davon aus, dass solch ein “Vorgängertempel” namens Saihoji 西方寺 zumindest existiert hat — allerdings nicht exakt mit den Kanji, in denen er heute geschrieben wird. Dieser ursprüngliche Saihoji verfiel jedoch, bis er 1339 auf Initiative von Fujiwara Chikahide, Abts des nahegelegenen Matsuo-Taisha-Schrein, durch den Mönch und Gartengestalter Muso Soseki wiederbelebt wurde. Muso änderte den ursprünglichen Namen in das homophone Saihoji 西芳寺 um, konkret tauschte er das mittlere Kanji-Schriftzeichen aus, um eine bestimmte religiöse Verbindung herzustellen. Details dazu im Wikipedia-Artikel des Saihoji-Tempels. Der Saihoji brannte in den Feuern des Onin-Kriegs (1467-77) nieder und wurde Opfer von zwei Überflutungen während der Edo-Zeit (1603-1868).
Das heutige Moos gehörte aber nicht zur ursprünglichen Gestaltung des Tempels durch Muso. Bis ins 14. Jahrhundert bestand der Garten aus einem Teppich aus weißen Sand. Erst während der Meiji-Zeit (1868-1912) wurde aus dem Tempelgarten ein Moosgarten.
Kyoto: Japanische Gärten Private anpassbare Tour – Kokedera ist einer der möglichen Ziele!
Besuch
Der Besuch des Moostempels Kokedera ist definitiv etwas Besonderes, allerdings auch nur mit Reservierung möglich und hat seinen Preis: ganze 3000 Yen wird für den Eintritt verlangt und dürfte damit der teuerste Tempeleintritt in ganz Kyoto, vielleicht auch ganz Japan sein. Bereits vor Jakyos Besuch im Jahr 2012 etablierte sich unter den Austauschstudenten der scherzhaft gemeinte Ausspruch “gierige Buddhisten!”, wenn z.B. innerhalb eines Tempels nach der Eintrittsgebühr noch eine Gebühr für einen weiteren Bereich erhoben wurde und so der Gesamtbetrag die 1000-Yen-Marke erreichte. Die erste Verwendung des Ausspruchs erfolgte Jakyos vagen Erinnerungen nach im Byodoin-Tempel in Uji. Man kann sich gut nun vorstellen, warum dieser Ausspruch nach dem Besuch des Kokedera nicht mehr so scherzhaft gebraucht wurde.
Der Besuch des Tempels besteht aus zwei Teilen: zuerst nimmt man an einer buddhistischen Zeremonie in der Haupthalle teil, die von Tag zu Tag unterschiedlich sein kann. An dieser muss man zwar teilnehmen im Sinne von anwesend sein, aber nicht aktiv mitmachen — davon sollte daher niemanden abschrecken lassen. Im Tempelgebäude selbst darf man auch nicht Fotografieren, aber keine Sorge, das gilt nicht für den Garten.
Die Zeremonien umfassen u.a.:
- Meditation: sich im Schneidersitz auf einem Sitzkissen nicht zu viele Gedanken machen.
- Buddhistische Sutren schreiben: man erhält einen Text, den man selber auf ein Blatt Papier schreibt. Ja, Abschreiben trifft es auch. Der Text ist in Kanji verfasst und stellt entsprechend der japanischen Sprache nicht mächtige Besucher vor Probleme.
- Buddhistische Sutren rezitieren: Man bekommt einen Text, der zusammen in einem Sprechgesang vorgelesen wird. Auch hier gibt es die Sprachbarriere, allerdings kann man in der Gruppe recht anonym einfach subtil etwas mitbrummen, wenn man möchte ;-)
Sutren rezitieren ist für ungeübte Personen bzw. ohne muttersprachliche Japanischkenntnisse unmöglich, da man den Text nicht lesen können wird. Doch auch wenn man selber nicht mitmachen kann, dürfte die Rezitation die intensivste Erfahrung sein, die man sonst nur selten so erfahren kann. Sutren schreiben könnte funktionieren, wenn man ein gutes Gefühl für Kopieren hat. Für die meisten Besucher dürfte die Meditation die angenehmste Erfahrung sein, da man nichts weiter machen muss als mehr oder weniger entspannt und in Ruhe auf dem Boden zu sitzen.
Jakyo und Begleitung haben Sutren rezitieren erwischt, wobei das Rezitieren hauptsächlich die Mönche übernehmen und es daher ziemlich intensiv wird.
Der zweite Teil des Besuchs, nach der Zeremonie, ist der Besuch des Tempelgartens, welcher vermutlich auch das Hauptziel der meisten Besucher darstellt. Man bekommt dann etwa 90 Minuten Zeit, um sich frei den Garten anzuschauen.
Reservierung
Wie weiter oben bereits erwähnt, kann man den Kokedera nicht ohne weiteres und schon gar nicht spontan besuchen. Man muss eine Reservierung machen. Per Post. Ja, diese flachen Dinger aus Papier. Und ja, auch aus dem Ausland. Neben dem Preis ist die Reservierung das zweite große Hindernis für den Besuch des Tempels. Zwar hat sich die Prozedur der Anmeldung in den letzten Jahren nicht geändert, aber wenigstens gibt es inzwischen eine vernünftige und auch englischsprachige Webseite des Tempels selber, auf der alles erklärt wird und sogar ein Template für den Brief bereitstellt. Macht es zwar nicht weniger umständlich, aber dafür deutlich weniger obskurer, mit weniger fragwürdigen Angeboten im Vergleich zu früher.
Update Februar 2024: Beim Aktualisieren dieses Artikels sind zwei Dinge aufgefallen. Einerseits bietet der Tempel endlich, endlich auch Onlinereservierungen an und nicht mehr nur mit Brief. Das wird es gerade für ausländische Besucher leichten machen. Bezahlt werden kann nur mit Kreditkarte. Der zweite Punkt betrifft die Eintrittsgebühr. Jakyo hat bereits gierige Buddhisten erwähnt. Nun, der Eintrittspreis wurde zwischenzeitlich von 3000 auf ganze 4000 Yen angehoben! Bitte, lieber Kokedera, es war doch nur ein Scherz, bitte nicht so ernst nehmen!
Dieses Anmeldeprozedere war aber nicht immer so. Bis 1977 war der Tempel jederzeit ohne Voranmeldung besuchbar. Es gab aber wohl Probleme mit der Menge an Besuchern und damit einhergehend auch zu viel Müll und zu viele Autos, die die Anwohner störten etc. Als Konsequenz wurde dann nach und nach die Anzahl an Besuchern reduziert, bis man auf die noch heute angewendete Reservierung per Brief umstellte.
Der Tempel Kokedera ist definitiv besuchenswert und der Garten sehr schön sogar, aber es muss jeder für sich entscheiden, ob es den Aufwand für die Anmeldung und den Eintrittspreis wert ist. In diesem Sinne: gierige Buddhisten!
Rundgang
Der Rundgang besteht aus dem Folgen des Pfades durch den Garten, der überraschend weitläufig ist und ohne Frage sehr idyllisch und wunderschön ist. Der Farbton ist durch das Moos mit Grün zwar nicht sonderlich abwechslungsreich, doch das ist kein Nachteil — ganz im Gegenteil, es ist sehr fokussiert und dadurch intensiv. Im Herbst dürfte die Blätterfärbung durch ihre Farbtupfer den Anblick noch eine ganze Ecke besonderer machen. Wenn man Glück mit dem Wetter hat, dann hat es auch kurz vor dem Besuch geregnet und das Moos ist glücklich. Selbst ein leichter Regenschauer während des Besuchs sollte man begrüßen.
Auch wenn man als Gruppe den Tempel besucht und dann gemeinsam in den Garten entlassen wird, so stellt sich durch die Weitläufigkeit das Gefühl ein, als ob man den Garten für sich alleine hätte. Bilder ohne Besucher sind daher in den meisten Fällen problemlos möglich.
Die wohl berühmteste Ansicht im Kokedera ist folgendes Bild, die Moosinsel im Teich. Oft sieht man diese Szenerie auf Social Media Seiten in Pink, um vermutlich viel Staunen und Likes abzusahnen. Aber wie man sieht, entspricht pink nicht ganz der wahren Farbgebung …
Ohne Frage, überall Moos. Sogar das absolut flauschigste Moos, welches Jakyo jemals zwischen die Griffel bekommen hat! Noch flauschiger als das ohnehin schon superflauschige Sugigoke-Moos. Man findet es gegen Ende an einer Wand.
Video: Begin Japanology – Moss / In folgenden Video von Begin Japanology hat der Saihoji von 11m12s bis 12m56s seinen eigenen Auftritt: (das Video wurde inzwischen leider gelöscht)
Umgebung
Der Kokedera liegt im äußersten Südwesten alles andere als zentral. Man kann den Besuch aber gut mit dem nahe gelegenen Viertel Arashiyama verbinden. Von Arashiyama aus kommend kann man in der Station Arashiyama der Hankyu-Linie einsteigen und direkt an der nächsten Station Matsuo-Taisha wieder aussteigen — den gleichnamigen Matsuo-Schrein direkt auf die Besuchsliste setzen! Von der Station oder vom Schrein aus ist der Kokedera dann in Laufreichweite. In der Nähe des Kokedera befinden sich zudem der Kegonji oder Suzumushidera sowie der Jizoin oder Takenodera (“Bambustempel”). Für den Suzumushidera sollte man allerdings ein Faible für Glöckchenzikaden (Insekten, die mit ihren Flügeln “singen”) haben und wenn das der Fall ist, den Besuch auf den Sommer legen, sonst gibt es keine Suzumushi. Vom Kokedera ist es dann auch nicht mehr weit zur kaiserlichen Villa Katsura-Rikyu. Entweder zurück zur Station Matsuo-Taisha oder zur fast gleich weit entfernten Station Kami-Katsura weiter südlich, dann eine oder zwei Stationen weiter nach Katsura fahren. Von dort aus kann man zur Villa laufen.
Wer hingehen direkt von der Stadtmitte den Kokedera als Erstes besuchen möchte, kann von der Shijo-Straße aus in die Hankyu-Kyoto-Linie Richtung Osaka einsteigen bis nach Katsura. Dort auf die Hankyu-Arashiyama-Linie wechseln bis nach Kami-Katsura oder Matsuo-Taisha. Nach dem Besuch im Kokedera kann man dann bequem nach Arashiyama weiter.
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Jakyo-Bewertung
JAKYO
4
von 5
Kokedera-Tempel
Der Tempel mit dem weitläufigsten und flauschig-moosigsten Moosgarten in Kyoto. Mehr Moos geht nicht. Leider nur mit Reservierung inkl. umständlichen Anmeldeprozedere.
Jakyo-Infos
Übersicht
Gebrauchsname: kokedera 語苔寺
Formeller Name: kōinzan saihōji 語洪隠山西芳寺
Bergname: kōinzan 語洪隠山
Weitere
Der eigentliche Name des Tempels lautet Saihoji, allerdings ist Kokedera gebräuchlicher.
Besucher müssen 12 Jahre oder älter sein (neue Regel seit dem 01. Juni 2019).
Öffnungszeiten & Eintritt
※ Saisonal können die Öffnungszeiten um eine halbe Stunde abweichen.
※ Sofern nicht anders vermerkt: täglich geöffnet.
Anreise
Nächste Bahnstation: Kami-Katsura (1,3 km)
Nächste Bushaltestelle: Kokedera Suzumushidera (200 m)
Mit den Bussen der Linie #63 und #73 kommt man mit der Endhaltestelle “Kokedera Suzumushidera” dem Kokedera-Tempel am nächsten. #63 startet in Ostkyoto (Higashiyama) von der Bahnstation Sanjo-Keihan aus und fährt über die zentrale Innenstadt (Oike-Straße) und das Nijojo-Schloss. #73 startet vom Kyoto HBF aus und fährt über die südliche Innenstadt (Shijo-Karasuma bis Shijo-Omiya).
Schneller als mit den Bussen geht es mit der Hankyu-Bahnlinie. Entweder von der Kyoto-Innenstadt (Shijo-Straße) oder von Osaka aus. In beiden Fällen an der Station Katsura auf die Hankyu-Arashiyama-Linie umsteigen bis Kami-Katsura. Von Kami-Katsura aus fährt aber leider kein Bus direkt zur Bushaltestelle “Kokedera Suzumushidera”.