Inhalt
Lange Zeit gab es für Japanophile einen großen Mißstand in der schwäbischen Metropole zu beklagen: es wollte sich einfach kein ernsthaftes Ramen-Restaurant nach dem Vorbild der Konkurrenz aus anderen größeren Städten* in Stuttgart etablieren. Und Ramen-Connaisseure, deren Lieblingsramen die deftige Tonkotsu-Variante ist, haben es generell noch schwerer. In den 10er-Jahren machte Kurose-Ramen am Feuersee den ersten ernstzunehmenden Anfang, den Stuttgartern Ramen-Kultur näher zu bringen. Seit 2020 gibt es nun ernsthafte Konkurrenz: die Ramenbar Umami öffnete in der Stadtmitte ihre Pforten.
*Takumi (Frankfurt, München), Ramen Jun (Frankfurt), Momo-Ramen (Hamburg) etc.
Umami Ramen
Seit 2020 werden in der Eberhardtstraße 47 in der Stadtmitte inzwischen Ramen serviert. Mit zwei großen Tischen und etwa 10 Zweiertischen gibt es zwar verhältnismäßig viele Sitzgelegenheiten, aber zu typischen Stoßzeiten ist der Andrang groß genug für eine Schlange vor dem Restaurant. Lohnt sich etwas Warterei? Absolut!
The Menu: Ramen
Im Menü finden sich die typischen Ramenklassiker auf Schweine-Basis: Miso und Tonkotsu (yes!), dazu schärfere Varianten wie Tan-Tan und Kara-Miso. Alternativ gibt es die Brühe auch auf Hühnchen-Basis und für Vegetarier drei Varianten auf Konbu-Dashi-Basis. Leider sind die Preise zwischen 13 und 15 € pro Ramen so deftig wie die Tonkotsu-Brühe und damit auch etwas höher als die Konkurrenz. Die Größe der Portion ist solider Standard: Die meisten werden hier wohl satt werden, aber üppig fallen die Portionen keinesfalls aus, eher klein und bescheiden. Sehr hungrige Schlürfer können sich aber — oder müssen gar — sich Kaedama nachbestellen, siehe weiter unten.
Ramen-Nudeln gibt es in zwei Varianten: dünne und dicke Nudeln. Ramen-Liebhaber kann man für gewöhnlich nach dieser Preferenz einteilen. Jakyo kann an dieser Stelle als Liebhaber dickerer Ramen-Nudeln mit großer Freude verkünden, dass im Umami dicke Ramen-Nudeln serviert werden. Tonkotsu-Ramen mit Futo-Men, perfekt!
Wer besonders hungrig ist und die Brühe nicht schon mit der ersten Nudelportion restlos weg geschlürft hat, kann sich den Kaedama genannten Nudelnachschlag für zwei Euro nachbestellen. Die frische Nudelportion wird dann in eigener Schüssel gebracht, von der aus man die Nudeln in die Restbrühe transferieren kann.
Geschmack? Wie in Japan, ohne jeden Zweifel. Nur spezielle Feinschmecker, die ihr Lieblings-Tonkotsu-Ramen irgendwo in einem Dorf auf Kyushu essen, dürften ihre Beschwerden haben.
The Menu: Donburi und Vorspeisen
Abgerundet wird die Auswahl durch etliche kleinere Speisen, von denen Jakyo vor allem auf das frittierte Hühnchen Tori-Karaage und die frittierten Kartoffeln Korokke aufmerksam machen möchte. Und wer statt Nudeln und Brühe lieber Reis essen möchte, kann dies mit den drei Donburi-Varianten (Reis mit Topping) machen. Die Menge an Reis ist im Donburi aber leider überraschend gering.
The Menu: die Karte an sich
Auf Schweine-Basis gibt es Miso-Ramen (“normal”) und Tonkotsu-Ramen (“deftiger”), dazu noch jeweils die scharfen Varianten. Auf Hühnchen-Basis gibt Shoyu-Ramen (Sojasauce), Miso-Ramen und die scharfe Tan-Tan-Men-Variante. Ebenfalls als Shoyu-, Miso- und scharfes Ramen gibt es in Vegetarisch, was man in Japan definitiv länger suchen würde. Insgesamt wenig Überraschendes für Ramen-Fans.
Bedauerlicherweise gab es im Herbst 2022 bereits einen Preisanstieg um mindestens einen Euro bei fast allen Gerichten. Die Preise waren zuvor schon ziemlich hoch, doch jetzt sind wir bei der psychologisch wichtigen (und von Jakyo willkürlich festgelegten) Marke von 15 € für eine Portion Tonkotsu-Ramen angekommen. Zum Vergleich: in Japan kostet ein Ramen für gewöhnlich um die 800 Yen (etwa 6 €), die Portionen fallen meist auch noch üppiger aus. Wir leben in einer komischen Welt, in der Ramen in Japan günstiger ist als der Döner in Deutschland und Ramen in Deutschland doppelt so teuer wie der Döner ist! Es bleibt zu hoffen, dass sich der Trend “Ramen ist etwas Besonderes und damit teuer!” nicht fortsetzt und sich Ramen irgendwann eher Richtung Döner orientiert. Abgesehen von der Miso-Paste gibt es in den meisten angebotenen Ramen keine exotischen Zutaten, die hier nur schwer zu bekommen sind.
Bei den Getränken gibt es den deutschen Standard an Soda-Getränken, aber auch japanische Klassiker wie Tee, Sake und die recht leckere Yuzu-Limonade.
Inneneinrichtung
Die Einrichtung entspricht wenig überraschend einem typisch-japanischen Ramen-Restaurant und ist insgesamt sehr gelungen. Einer typisch spartanischen Einrichtung stehen zahlreiche japanische Designelemente gegenüber. Es lohnt sich, die Augen durch das Restaurant schweifen zu lassen. Die Holzelemente an der Decke, die zahlreichen Sake-Flaschen an der Bar, die Laternen und die japanischen Masken und Figuren in Neonlichtern tragen zum typisch-japanischen Ambiente bei. Wie aus Japan gewohnt sind die Sitzgelegenheiten aber nicht super bequem oder gar für einen stundenlangen Aufenthalt gedacht. Für eine Ramen-Portion, gemütliches Austrinken und etwas Smalltalk dennoch mehr als ausreichend.
Im Sommer gibt es sogar einen kleinen Bereich, in dem man außen sitzen kann.
Worauf noch warten? Ran an die Nudelsuppe!
Exkurs Ramen: von China über Japan nach Deutschland
Mit der Industrialisierung Japans stieg der Bedarf an Arbeitern in Städten und Industriezentren. Der Sieg im Ersten Japanisch-Chinesischen Krieg 1894-95 führte zu einem Anstieg industrieller Aktivitäten und damit einhergehend auch eine größere Basis an Arbeitskräften in den Städten, die natürlich mit Essen versorgt werden musste. Während Jobs u.a. in den Bereichen Bergbau, Produktion- und Baugewerbe in die Höhe schossen, stagnierte die Anzahl an Beschäftigten im Agrarsektor. Diese Verteilung wirkte sich erheblich auf die Produktion und Konsum von Nahrungsmitteln in Japan aus. Die industrielle Lebensmittelherstellung wurde zu einem der großen Wirtschaftszweige Japans.
Mit dem Anstieg von Lohnarbeitern in den Städten stieg auch der Bedarf an Restaurants und Imbissen in den 1890er-Jahren, besonders in den Arbeitervierteln Asakusa und Ueno in Tokyo. Der Erste Weltkrieg führte zu einem erneuten Schub in der Industrialisierung, die bereits seit drei Jahrzehnten am Laufen war und nun auch einen Boom für Export auslöste. In dieser Zeit stießen die Arbeiter auf Straßenimbisse und chinesische Restaurants, die Shina-Soba servierten. Um 1920 haben sich diese Shina-Soba bereits als günstige, schnelle und vor allem sattmachende Mahlzeit etabliert.
Shina-Soba musste nur einmal am Tag die Basissuppe und die Würzung vorbereitet werden, auf Bedarf wurden dann die Nudeln gekocht. Nach der Bestellung musste der Kunde daher nur wenige Minuten warten, bis die Mahlzeit serviert wurde. Ein großer Vorteil, wenn die Zielgruppe hungrige und erschöpfte Arbeiter sind, die es im modernen Leben meist auch eilig haben. Die Shina-Soba als erschwingliche und deftige Mahlzeit, die sich vor allem in Tokyo schnell verbreitete.
Allerdings hatten die Shina-Soba einen bitteren Beigeschmack: auch wenn sie durch ihre ihre Zutaten — vor allem Fleisch — und dem schnellen Konsum hervorragend zum Leben der Arbeiter gepasst haben, war der gesellschaftliche Status dieser Mahlzeit zunächst sehr niedrig. Ein typisches Arbeiteressen, importiert aus dem im Krieg unterlegenen China (das japanische Shina ist kein schmeichelndes Wort), im Gegensatz zu Brot und Kuchen aus dem vermeintlich überlegenen Westen.
In den 1920er-Jahren veränderte sich der Konsum der Shina-Soba allmählich, insbesondere wo man die Nudelsuppe essen konnte. Neben China-Restaurants und Imbisswägen waren das — so seltsam es sich anhören mag — vor allem auch Cafés und westliche Restaurants. Insbesondere in Sapporo tauchten in den 1930er-Jahren Shina-Soba in Cafés auf der Speisekarte auf und wurde nicht als Shina-Soba, sondern als Ramen verkauft. Das Wort rāmen 語 leitet sich aus dem chinesischen rā für “ziehen” und dem japanischen men 語 für Nudeln aus Weizenmehl ab — langgezogene Nudeln aus Weizenmehl.
Eine weitere wichtige Verkaufsstelle wurden Restaurants in den großen, neuen Kaufhäusern in den 1920-30ern, die vor allem von der Mittelschicht besucht wurden. Diese Restaurants standen sinnbildlich für die Zukunft nicht nur wegen ihrer multikulturellen Speisekarte, sondern auch für alles, was im Hintergrund passierte: neue Technologien, Management, Hygiene und Geschwindigkeit.
Die Akzeptanz westlicher und chinesischer Mahlzeiten resultierte nicht nur aus deren Schmackhaftigkeit, sondern auch, weil sie als besonders nahrhaft im Vergleich zu traditionellen japanischen Mahlzeiten wahrgenommen wurden. Das lag an den Zutaten, die in der heimischen Küche bisher wenig verbreitet waren: Fleisch, Öl, Fett und Gewürze.
Die Grundlagen für den Siegeszug der Ramen-Nudelsuppe waren gelegt. Zumindest in Japan, wo sich Ramen zu einem festen und reichhaltigen Fundament der japanischen Küche entwickelte. Heute hat man in japanischen Städten mindestens alle paar Kreuzungen ein oder mehrere Ramen-Restaurants, die sich entweder auf einen Typus Ramen spezialisieren oder eine breite Vielfalt anbieten — regionale Ramen-Varianten oder verschiedene Suppen. Shoyu-Ramen (Soja-Basis) aus Tokyo, Miso-Ramen aus Hokkaido oder Tonkotsu-Ramen aus Kyushu.
Während Sushi schon recht früh seinen Siegszug in Deutschland antrat, brauchte es bei Ramen deutlich länger. Wahrscheinlich war das Takumi in Düsseldorf 2007 das erste Ramen-Restaurant (oder Bar), welches in Deutschland seine Tore öffnete. Seitdem eröffneten mehr und mehr Ramen-Restaurants hierzulande, sei es Hamburg, Berlin, Frankfurt oder München. Stuttgart hing immer etwas hinterher, doch inzwischen gibt es in der baden-württembergischen Landeshauptstadt mit Kurose, Earth Tokyo und Umami eine solide Grundversorgung.
Jakyo-Bewertung
JAKYO
5
von 5
Umami Ramen
Hochqualitatives Ramen-Restaurant, dessen Nudelsuppe dem japanischen Standard entspricht. Leider hat das auch seinen Preis.
Galerie
Jakyo-Infos
Übersicht
Öffnungszeiten & Eintritt
※ Saisonal können die Öffnungszeiten um eine halbe Stunde abweichen.
※ Sofern nicht anders vermerkt: täglich geöffnet.
Anreise
STANDORT STUTTGART
Eberhardstrasse 47
70173 Stuttgart-Mitte
Deutschland
KONTAKT
TEL: 0711 39680769 (Take-Away)
info@umamiramen.de
Bus: 43/44-Rathaus
U-bahn: U1/U2/U4/U9/U14-
Rathaus