Ich kann mich noch ganz genau an diesen einen Dialog mit dem Inhaber des Geschäfts für Teeutensilien “Sadōgu Kitayama” im Jahr 2012 erinnern. Nicht, weil dieser sonderlich spektakulär gewesen wäre oder mein Leben verändert hätte, aber mich dennoch bis heute klar und präsent begleitet. Es ging um Bambus und dass Bambus in Japan nicht dasselbe ist wie Bambus in Deutschland.
Sadogu Kitayama?
Das Geschäft für Teeutensilien Sadogu Kitayama befindet sich im nördlichen Kyoto an der Straßenecke Horikawa-Kuramaguchi. Und einen besseren Ort konnte der Inhaber kaum findet, denn dort befindet er sich in idealer Nachbarschaft zur Teeschule Urasenke. Direkt auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindet sich das Wohngebäude der Midorikai-Studenten, den ausländischen Vollzeit-Studenten der Urasenke. Nur 370 Meter weiter südlich befindet sich das Hauptgebäuder der Urasenke, das Konnichian.Webseite | Google Maps
Es fing damit an, dass ich mich nach einem bestimmten Regal erkundigt habe. In den verschiedenen Formen der Teezeremonien werden teils unterschiedliche Regale verwendet. Eines davon, das marujuko 語丸卓, hat meine Aufmerksamkeit erregt und ich wollte nach Preis und Transportdetails fragen.
Doch bevor ich auch nur ansatzweise die Antworten auf meine Fragen erhielt, wurde mir stattdessen eine wohl alles entscheidende Frage gestellt:
“Wo wird das Regal denn landen?”
“In Deutschland.”
“Es wird brechen! Die Luftfeuchtigkeit in Deutschland ist zu niedrig, da wird alles aus Bambus irgendwann brechen!”
Auf japanisch war das ganze deutlich einprägsamer, denn den Anfang machte das bewusst überbetonte ausgesprochene japanische Verb für brechen: “Wareru!” 語割れる!
Und die Quintessenz dieses Dialogs begleitet mich bis heute und beweist sich auch immer wieder hier und da. Allen voran mein meistgenutzter Chasen — Rührbesen für Matcha aus Bambus — dessen Griff inzwischen vom Knoten bis Boden einen deutlichen Spalt aufweist. Wer aber bereits längere Zeit mit Matcha-Teekultur in Japan in Kontakt war, den dürfte das wenig überraschen, denn Chasen werden als Verbrauchsgegenstände angesehen. Das geht soweit, dass es im Tempel Soken’in einen Friedhof für gebrochene Chasen gibt.
Meine Hishaku — Schöpfkellen aus Bambus — zeigen inzwischen auch alle zumindest haarfeine Risse. Überraschenderweise sieht mein Futaoki — Ablage aus Bambus für heiße Kesseldeckel — noch aus wie am ersten Tag, ganz ohne Riss. Deutlich weniger anfällig für Risse sind hingegen die Löffel für Matchapulver, die Chashaku.
Daher, geschätzte Bambusliebhaber, eine Warnung: stellt euch mental darauf ein, dass manche Mitbringsel aus Japan wahrscheinlich irgendwann Risse bilden und brechen werden. Bambus ist kein Material für die Ewigkeit.
Damals habe ich mich letztendlich gegen den Kauf des Regals entschieden, aber vom Tisch ist das Thema noch lange nicht.