Wenn es um bekannte Orte geht, wo man am besten die Herbstlaubfärbung in Kyoto bewundern kann, dauert es meist nicht lange, bis der Name Rurikoin fällt. Etwas nördlich von Kyoto im Gebiet Yase findet sich am Fuße des Berges Hieizan ein Ort, der den Herbst wie ein Gemälde aussehen lässt.
Über den Tempel Rurikoin
Geschichte
Die Region Yase, in der Rurikoin liegt, war schon seit der Heian-Zeit (794-1185) ein beliebtes Naherholungsgebiet für Adlige und hochrangige Samurai. In Schriftstücken wurde Yase statt mit den Kanji 「八瀬」 (“Acht” und “Stromschnellen”) mit den Kanji 「矢背」 (“Pfeil” und “Rücken”) geschrieben, was auf eine Erzählung aus dem Jinshin-Krieg (673) zurückgeht: Im Jinshin-Krieg wurde der Prinz Oama (später: Tenmu-Tenno) von einem Pfeil im Rücken getroffen. Zur Kur ging es nach Yase, um dort in einem sogenannten Ofenbad seine Wunden zu kurieren.
Am Anfang der Meiji-Zeit (1868-1912) errichtete Sanjo Sanetomi, einer der hochrangigsten Hofadligen in der Anfangszeit der neuen Meiji-Regierung, ein Anwesen in Yase. Dieses nannte er Kikakutei. Heute ziert der Name Kikakutei das Teehaus von Rurikoin.
Anfang der Showa-Zeit (1926–1989) wurde das Anwesen von Nakamura Sotoji im Sukiya-Zukuri-Stil renoviert und die Gartenanlagen von der berühmten Gärtnerfamilie Toemon*. Die Familie Toemon pflegt u.a. seit 1832 den Garten des Goten-Bereichs im Ninnaji-Tempel und auch der große Kirschbaum im Maruyama-Park geht auf die Toemon-Familie zurück.
*藤右衛門 Berühmte Gärtnerfamilie. Heutiges Oberhaupt: Toemon Sano, 16. Generation 第16代 佐野藤右衛門
Der Übergang zum Tempel bleibt eher im Dunkeln. Es gibt nur einen kleinen Raum mit Altar, woran man die Bedeutung von Rurikoin als Tempel wohl sehr gut deuten kann.
Eingang
Das Erste, was man von Rurikoin sieht, ist dessen Sanmon-Tor, das etwas anders aussieht, als man es sonst gewohnt ist.
Google Street View: Eingang und Allgemein
Der Rurikoin wurde komplett in Google Street View aufgenommen. Einzelne Ansichten sind zwar hier im Artikel verlinkt, aber man kann auch mit der Maus selbstständig navigieren und sich umsehen.
Garten Yamaroji
Direkt nach dem Eingang befindet man sich schon im ersten Garten, der als Pfad zum Gebäude führt: der Yamaroji-Garten (山露路の庭 yamaroji no niwa) oder “Bergtaupfad”.
Von oben aus betrachtet Richtung Eingang zurück sieht das folgendermaßen aus.
Im Teich links von der kleinen Steinbrücke konnte man eine interessante Beobachtung machen: duschende Fische! Ein vorbeikommender Mönch kommentierte amüsiert, dass sich das bestimmt gut anfühlen müsse – schließlich komme das Wasser aus der “Dusche” vom heiligen Berg Hieizan, an dessen Fuß sich der Rurikoin befindet.
Betritt man nun den Rurikoin, bleibt man auch drinnen. Ab jetzt folgt ein langgezogener Rundgang durch das Innere.
Im Rurikoin
Hauptgebäude: Studierzimmer
Betritt man das Hauptgebäude, leitet der Rundgang die Besucher direkt eine schmale Treppe hoch, die zum Studierzimmer führt. Direkt am Kopf der Treppe findet man den ersten Blick ins Freie vor.
Wie bei jeder bekannten Sehenswürdigkeit für eine bestimmte Jahreszeit war auch hier der Andrang sehr hoch. Da es aber bereits kurz vor 16 Uhr war, hielt es sich in Grenzen. Es geht also durchaus noch schlimmer, was das Gedränge betrifft.
Was hier alle bestaunen, ist folgende Herbstansicht – das Highlight unter den Ansichten im Rurikoin.
Rutsch man bis an das Geländer vor und blickt nach links, bietet sich folgende Ansicht an.
Und der Blick nach unten gewährt Einblick in den Ruri-Garten, den man auch vom Chaseki im direkt unter dem Studierzimmer liegenden Raum bewundern kann.
Wegen dieser Ansichten, die den Rurikoin berühmt gemacht und seit 2012 einen Ansturm an Besuchern ausgelöst haben, muss man wohl inzwischen Nummern ziehen. Erst beim Aufruf der eigenen Nummer darf man die Ansichten bewundern.
Google Street View: Studierzimmer 2. Stock
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Das Ofenbad Kama-Furo-Bad
Nachdem man sich im Herbst an den Momiji sattgesehen hat – was eine Weile brauchen kann – ging es wieder eine Etage tiefer. Dort befindet sich ein traditionelles Yase-Bad, in dem man sich mittels Wasserdampf reinigt. Daher auch der japanische Name Kama-Furo (竈風呂 kama furo): “Ofenbad”.
Garten Ruri
瑠璃色
Der Rundgang führt anschließend in ein weiteres Studierzimmer im Erdgeschoss, welches sich direkt unter dem Studierzimmer aus dem zweiten Stockwerk befindet. Dieses Zimmer wird als Chaseki benutzt: ein Platz, an dem man sich einen Matcha gönnen kann. Und einen ebenerdiger Blick in den Ruri-Garten (瑠璃の庭 ruri no niwa). Der Ruri-Garten ist der Hauptgarten und hat wie Rurikoin seinen Namen von ruriiro (瑠璃色), der azurblauen Himmelsfarbe des buddhistischen Paradieses.
Google Street View: Chaseki und Garten Ruri
Hat man sich seinen Matcha gegönnt, führt ein schmaler Gang vorbei an einem buddhistischen Altar in Richtung des zweiten Gebäudes, welches aber mit dem Hauptgebäude verbunden ist. Das zweite Gebäude ist das Teehaus Kikakutei, in dem man auch den Garyo-Garten betrachten kann. Vom Verbindungsgang kann man bereits einen Blick auf das Teehaus samt Garten erhaschen.
Teehaus: Kikakutei
Das Kikakutei ist ein ziemlich großes Teehaus (-hütte trifft es einfach nicht mehr), in dem sich durch herausnehmbare Fusuma verschiedene Teeräume bilden lassen können. Es wurde nach den Vorlieben des 6. Oberhaupts der Omotesenke-Teeschule, Kakkakusai, gebaut.
Gerade für Leute, die sich sonst nicht in Teekreisen bewegen, kann es interessant sein zu sehen, wie ein Hinterzimmer eines Teezimmers so aussieht: das Mizuya.
Google Street View: Kikakutei
Dreht man hier die Ansicht um 180°, kann man gut den Garyo-Garten betrachten. Und eventuell den Drachen erkennen.
Garten: Garyo
Laut Beschreibung sieht man im Garyo-Garten einen Drachen, der ganz schnell Richtung Himmel aufsteigt. Wie immer liegt das Erkennen davon im Auge des Betrachters.
Video: Japan Travel Rurikoin temple
Auf Youtube befindet sich ein Video, welches Rurikoin komplett zeigt und im Frühsommer aufgenommen wurde.
- Bis 3:47 – Eingangstor und Yamaroji-Garten
- 3:47 – Vor dem Hauptgebäude, Teich und kleine Steinbrücke
- 4:19 – Studierzimmer 2. Stockwerk
- 6:23 – Ruri-Garten
- 7:28 – Chaseki
- 11:07 – Garyo-Garten von Kikakutei aus
Kritik: Religiosität gegen Tourismus
Auch wenn Rurikoin ein wunderschöner Ort ist und sehr fotogen, so darf man doch nicht vergessen, dass es sich hier um eine religiöse Stätte handelt. Das Problem dabei ist nicht, dass mal wieder Horden von ausländischen Barbaren über ein japanisches Heiligtum herfallen, sondern dass es hier selbst Einheimische nicht sonderlich zu interessieren scheint. Im Studierzimmer im zweiten Stockwerk liegen zwar Sutren und Schreibutensilien bereit, aber es wird die Ausnahme sein, jemand bei dessen Benutzung zu sehen. Stattdessen wird lieber die Kamera gezückt, um die berühmte Rurikoin-Ansicht in Bild zu bannen. Der religiöse Aspekt des Ortes rutscht in den Hintergrund.
Das ist kein Phänomen, dass man nur im Rurikoin beobachten kann, aber vielleicht ist es hier extremer, da Rurikoin pro Jahr nur zu zwei Gelegenheiten der Öffentlichkeit zugänglich ist und das Platzangebot begrenzt ist. Tempel wie Kinkakuji oder Ryoanji aber bieten wohl ein ähnliches Bild. Ob man sich deswegen nun peinlich berührt fühlen muss oder nicht, diese Frage bleibt an dieser Stelle offen. Zumindest aber lässt sich Rurikoin nun sehr gut entlohnen: während der Eintritt 2011 noch 500 Yen betragen hat, muss man ab 2014 ganze 2000 Yen abgeben.
Jeffrey Friedl erwähnt diese Problematik im folgenden Blogbeitrag ebenso, zusammen mit wunderschönen Fotografien: http://regex.info/blog/2014-11-29/2492
Anfahrt
Bus
Per Bus kommt man vom Kyoto Hauptbahnhof mit der Buslinie 17 Richtung Ohara (Haltestelle A2) über Demachiyanagi ohne Umsteigen direkt zum Rurikoin, wenn man an der Bushaltestelle Yase-Eki-Mae aussteigt. Je nach Verkehr kann das eine ganze Weile dauern. Man sollte der Bahn den Vorzug geben.
Es gibt zwei Buslinien 17 in Kyoto. Eine 17 fährt nur innerhalb Kyoto (Kyoto City Bus), während die andere 17 Kyoto verlässt und nach Ohara fährt (Kyoto Bus). Für Rurikoin brauchen wir daher den Kyoto Bus (beige/rotbraun). Da dieser Bus das Stadtgebiet Kyoto verlässt, gilt nicht der Flatrate-Preis, sondern der Preis vorne auf der Anzeigetafel!
Wohnt man nicht in der Nähe der Buslinie 17 oder Keihan-Bahnlinie, empfiehlt es sich, mit einer anderen Buslinie zum Bahnhof Demachiyanagi (Keihan) zu fahren und von dort mit der Bahn zum Rurikoin.
Abfahrtszeiten Buslinie 17 vom Kyoto Hauptbahnhof (PDF) – Übersicht Busnetz Kyoto
Zug (Keihan-Bahnlinie)
Mit dem Zug kommt man vermutlich zügiger und bequemer nach Rurikoin, allerdings ist Rurikoin dann die Endstation. Zunächst steigt man in die Hauptlinie der Keihan-Bahn ein (nächster Bahnhof vom Kyoto Hauptbahnhof aus: Keihan Shichijo) und fährt nach Norden bis zur Endstation Demachiyanagi. Dort steigt man in die Eizan-Bahnlinie ein und fährt bis zur Endstation Yasehieizanguchi. Danach noch ein kleiner Fußweg und man steht vor dem Eingangstor des Rurikoin. In der Nähe befindet sich auch die Anschlusslinie für den Berg Hieizan.
Zugfahrt Kyoto Hauptbahnhof → Rurikoin: ungefähr eine Stunde
Zen Gardens: The Complete Works of Shunmyo Masuno
Shunmyo Masuno, Japan's leading garden designer, is at once Japan's most highly acclaimed landscape architect and an 18th-generation Zen Buddhist priest, presiding over daily ceremonies at the Kenkoji Temple in Yokohama. He is celebrated for his unique ability to blend strikingly contemporary elements with the traditional design vernacular. He has worked in ultramodern urban hotels and in some ...
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Jakyo-Bewertung
JAKYO
4.6
von 5
Rurikoin-Tempel
Ein kleiner Tempel, der zum Highlight jeder Kyotoreise werden kann. Besonders empfehlenswert im Herbst, egal bei welchem Wetter.
Komplettes Teehaus zur Besichtigung.
Verschiedene Gärten und besondere Sehenswürdigkeiten.
...entsprechende Belagerung des "fotogenen Spots".
Teurer Eintritt seit 2014 (von 500 Yen auf 2000 Yen).
Jährlich nur für kurze Zeit öffentlich zugänglich.
Kommentar zur Bewertung
Die Wertung wurde von 5.0 auf 4.6 reduziert, da der Tempel wohl seit 2012 einen wahren Ansturm von Besuchern erfährt und der Preis trotzdem auf saftige 2000 Yen erhöht wurde.
Japanese Garden Notes: A Visual Guide to Elements and Design
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Jakyo-Infos
Übersicht
Gebrauchsname: 語瑠璃光院
Formeller Name: kōmyōji kyōto rurikōin 語光明寺京都本院瑠璃光院
Öffnungszeiten & Eintritt
Für Studenten gegen Vorlage des Studentenausweises reduziert sich der Preis auf 1000 Yen.
10:00 bis 17:00 Uhr
Keine regulären Öffnungszeiten, meist zwei Mal im Jahr geöffnet.
Frühling: ~01. April bis 31. Mai (verschiebt sich oft)
Herbst: ~01. Oktober bis 10. Dezember (nahezu identisch jedes Jahr)
Für genaue Infos die offizielle Webseite im Auge behalten!
Anreise
Bahn (empfohlen) | Von Demachiyanagi* aus fährt die Eizan-Hauptlinie direkt zur Endhaltestelle Yase-Hieisanguchi**, in deren Nähe sich der Rurikoin befindet.
*Demachiyanagi ist sehr gut mit der Keihan-Hauptlinie oder mit Stadtbussen zu erreichen.
**Wer zum Berg Hieisan möchte, kann hier auch gleich in die Seilbahn zur Bergspitze einstigen und den Enryakuji-Tempel besuchen.
Bus | Haltestelle Yase-Eki-mae. Eine Buslinie macht Halt am Rurikoin und zwar die #17 Richtung Yase (Rurikoin) und Ohara (Sanzenin-Tempel). Fährt vom Kyoto Hauptbahnhof aus und ab der Sanjo-Straße entlang des Kamogawa- und Takano-Flusses.